Liebe Schwestern und Brüder,
Ich weiß nicht, wie es Ihnen so geht, aber mir wird oftmals angst und bange, wenn ich sehe, was in unserer Welt los ist, was in unserer Kirche geschehen ist und wie es mit ihr weiter geht … „Herr, lass doch Wunder geschehen - in unsrer geschundenen Welt, in unserer verbeulten Kirche“ - ja, das wäre doch was! Zumal wir doch auf das „Wunder der Weih-Nacht“ zugehen, oder besser eilen?
Gottes Plan ist jedoch ein ganz anderer, will er doch das Heil eines jeden Menschen, und das zaubert er weder aus dem Hut noch aus dem Ärmel, sondern er bedient sich seiner Agenten, macht uns Menschen zu seinem göttlichen Arm – nicht um ruhmreich dazustehen, sondern weil er in seiner Fürsorge seine gute Schöpfung befreien und er-lösen will aus allem Chaos, Leid und Elend.
Meines Erachtens gibt es hier zwei zentrale Begriffe: „Wundertaten“ und „das Handeln Gottes“. Wundertaten kann man erhoffen, man kann Zeuge sein. Wenn aber das Handeln Gottes nicht aufleuchtet und den Menschen „wunder-sam“ verwandelt, ihn in die göttliche Nachfolge einlädt, ruft und auffordert, verbleiben nur Magie und Zauber.
Erinnern wir uns doch an den Exodus Israels: er wird von zahlreichen „Wundern“, das heißt vom rettenden Handeln Gottes begleitet, um den Glauben an den Gott Jahwe in die Herzen seines Volkes einzupflanzen. Das Handeln Gottes beim Auszug aus Ägypten wird durch den hörenden Mose (brennender Dornbusch) und durch sein Volk, das zum Aufbruch bereit ist, erfahrbar. Auf SEIN Wort hin lassen sich Menschen gebrauchen, „Handlanger“ ihres Gottes zu sein, und bezeugen so sein wirkmächtiges Handeln in und an der Welt.
Der große Spötter und Religionsverächter König Friedrich II. von Preußen wollte einmal seinen Superintendenten [evangelischer Regionalbischof] in Verlegenheit bringen und fragte: „Nenne Er mir einen einzigen Gottesbeweis, aber kurz, in drei Worten!“ Da soll der kluge Geistliche einen Schritt vorgetreten sein und sich mit den Worten verbeugt haben: „Majestät, die Juden.“
Vielleicht ist es an der Zeit, genauer hinzuschauen, was wir vom Volk Gottes, den Juden, lernen können für uns, dem Volk Gottes im hier und jetzt. Murren, Klagen, sich Auflehnen gegen SEINE Gebote, sich zurücksehnen in die „guten alten und bequemen Zeiten“ - so lesen wir im Buch Exodus - und in der Geschichte unserer Tage. Wenden wir uns doch immer wieder neu dem zu, der uns Leben in Fülle verheißen hat. Diesem Gott, der seiner Liebe zu uns Menschen dann auch noch Hand und Fuß verliehen hat: „Dass der ferne, der unfassbare, absolut unzugängliche Gott ins Sichtbare getreten ist, mit Ohren zu hören, mit Händen zu betasten, damit wir in die Liebe zum Unsichtbaren hinübergerissen werden: auf dieser Tatsache baut unser ganzer Glaube auf.“ (Aus Ida Friederike Görris, Ich liebe die Kirche, Butzon & Bercker, 1975)
Mit zukunftsfrohen Grüßen,
Ihr Pastor Norbert Lucht